...besser raus!

Rothaarsteig-Spur: Breitscheider Höhlentour

Wie heißt es in Norddeutschland so schön: Regen ist, wenn der Hering auf Augenhöhe vorbeischwimmt. Ganz so schlimm haben wir es diesmal nicht angetroffen. Dennoch kämpfen wir uns durch tiefen, nassen Schnee und dichten Nebel. Höhlen und Schluchten inklusive. Klingt nicht ganz uninteressant, oder? Wir haben uns einen tollen Starttermin ausgesucht, denn die letzten Tage hat es stark geschneit, und ausgerechnet heute möchte der ganze Sud langsam wieder schmelzen. Egal, denn die Breitscheider Höhlentour will erkundet werden. Selbige ist noch relativ neu und bietet auf ca. 16 km so einiges. An dieser Stelle übrigens nochmal kurz zu den Rothaarsteig-Spuren: Einige dieser Rundwanderungen liegen an der Westerwaldvariante des Rothaarsteigs, d.h. am Verbindungsweg von Rothaarsteig zum Westerwaldsteig. Deswegen haben wir einige der Touren auch in der Region Westerwald eingeordnet, obwohl die Namensgebung eigentlich auf das Rothaargebirge schließen lässt. Aber die Grenzen zwischen beiden sind ja fließend.

Wir haben den Rothaarsteig-Parkplatz oberhalb von Langenaubach als Startpunkt ausgewählt. Es finden sich aber auch einige alternative Möglichkeiten. Nachdem wir den obligatorischen Track im Garmin geladen haben, wie wertvoll diese Entscheidung heute ist wird sich später noch zeigen, verlassen wir das warme Wandermobil und starten im kalten Nass.

Gleich zu Beginn stoßen wir in südlicher Richtung auf einen schön angelegten Baumlehrpfad. Dieser lässt uns aber heute im wahrsten Sinne des Wortes kalt. Vielmehr müssen wir uns erstmal an das Stapfen durch den nassen Tiefschnee gewöhnen. Das gelingt nach einer gewissen Einarbeitungszeit auch ziemlich gut, und so nähern wir uns langsam aber sicher dem Kalksteinwerk Medenbach. Von dessen Gelände können wir aber so gut wie gar nichts sehen. Nachdem wir westlich des Geländes die L3042 gequert haben, kreuzen wir kurz darauf auch noch die K68 und passieren den Eingang der „Schauhöhle Herbstlabyrinth“. Ein erster Höhepunkt auf unserer heutigen Runde. Das Herbstlabyrinth-Adventhöhle-System ist das größte Höhlensystem in Hessen und zugleich eines der bedeutendsten in Deutschland. Bei anderer Gelegenheit konnten wir die sogenannte „Knöpfchenhalle“ des Höhlensystems besichtigen. Absolut empfehlenswert!

Eingang zur Gasseschlucht

Danach verschwinden wir in der Gasseschlucht, die uns jetzt immer tiefer bergab zum Benderstollen führt. Dieser wurde in 1970er Jahren in den Berg gesprengt, um eine mögliche Verbindung zur Stollenhöhle zu erforschen. Die Stollenhöhle wiederum wurde in den 1920er Jahren bei Sprengarbeiten im benachbarten Steinbruch entdeckt. Man fand dort u.a. Knochen des Höhlenbären (Ursus speleus). Weiter bergab und immer noch in östliche Richtung laufend, kommen wir am Erdbacher Schützenhaus mit benachbarter Grillhütte vorbei. An eine Grillung ist bei dieser feuchtkalten und vernebelten Witterung aber erstmal nicht zu denken.

Der Benderstollen

Nahe dem Schützenhaus befindet sich eine weitere Besonderheit der Region. Der Erdbachauslauf ist der Wiederaustritt des Erdbachs, der im Kleingrubenloch in Breitscheid versickert. Durch ein, nur in Bruchteilen erforschtes Höhlensystem, fließt der Erdbach ca. 1200 m unterirdisch ins Tal. Dafür benötigt er je nach Wasserstand 14 – 34 Stunden. Dabei verdoppelt er seine ursprüngliche Wassermenge, d.h. er wird im unterirdischen Verlauf durch zusätzliche Karstquellen gespeist. Das ganze Phänomen wird auch als Erdbach-Schwinde bezeichnet.

Der Erdbachauslauf

Wir verlassen den Erdbachauslauf und wenden uns gleich der nächsten Sehenswürdigkeit zu. Südlich des Schützenhauses treten wir aus dem matschigen Schnee, und gehen durch einen Felsentunnel in den ehemaligen Erdbacher Steinbruch. Schon der Weg in den Steinbruch ist genial, das Panorama welches auf der anderen Seite des Tunnels wartet, ist aber nicht minder spektakulär. Steil ragen die Felswände auf und überschatten den mit Bäumen zugewachsenen Talgrund. Im südlichen Bereich des Geländes befindet sich eine weitere kleine Höhle, deren Bedeutung uns aber unbekannt ist. Es handelt sich vermutlich um ein Überbleibsel ehemaliger Sprengungen oder sowas in der Art. In dieser Kulisse erscheint die Tatsache, dass diese Gegend vor ca. 350 Mio Jahren ein Wattenmeer war, absolut außerirdisch, ist aber durch zahlreiche Fossilienfunde belegt. Nach umfassender Besichtigung verlassen wir das Gelände wieder durch den Tunnel.

Der Tunnelausgang zum Steinbruch

Wir erreichen nun den Parkplatz am Erdbacher Ortsausgang, biegen scharf nach Süden ab, und wandern auf, mit Schneematsch bedecktem Schotterweg, weiter. Hier geht es jetzt wieder leicht bergauf. Nach nur wenigen Metern kündigt sich das nächste Highlight an. Wir haben den kleinen Pfad erreicht, der uns zur großen und kleinen Steinkammer führt. In den sogenannten Erdbacher Steinkammern wurden 1884 hallstattzeitliche (etwa 550 v. Chr.) Grabstätten entdeckt. Bekannt wurde in diesem Zusammenhang der dort gefundene Erdbacher Wendelhalsring. In damaliger Zeit waren Wendelringe beliebter Frauenschmuck. Achtung, unnützes Wissen: Im 38. Asterix-Band ist ein solcher Wendelring tragendes Handlungselement.

Funde lassen auch auf eine frühere Nutzung als Wohnhöhle schließen

Die kleine Steinkammer kann man sogar durchlaufen. Es handelt sich dabei eigentlich mehr um eine kurze, enge Höhle und weniger um eine Kammer. Für den Platzangsthirsch ist das aber nichts. Der sollte lieber draußen bleiben, denn es ist wirklich sehr eng und im mittleren Bereich noch dazu recht steil. Mit einem Schnee-Matsch-Streusalz-Konglomerat unter den Sohlen kommt dann richtig Freude auf. Wir haben es trotzdem unbeschadet überstanden. Fairerweise müssen wir hier aber anmerken, dass wir die Örtlichkeiten recht gut kennen und schon mehrfach zuvor auch im Sommer hier unterwegs waren.

Der Eingang zur kleinen Steinkammer
Der Ausgang am unteren Ende der kleinen Steinkammer

Wir verlassen die Kammern und nehmen einen schmalen Pfad, der uns jetzt steil an der Kante des Steinbruchs entlang nach oben führt. Obacht, hier herrscht Aussichtsgefahr, selbige ist aber heute sehr vernebelt, außerdem sind wir mit Schlittern und Ausrutschen beschäftigt.

Blick von der Steinbruchkante auf Erdbach

Oberhalb von Benderstollen und Gasseschlucht führt der Weg jetzt eine ganze Weile stets nach Westen auf Breitscheid zu. Wir kommen an der Erdbach-Schwinde vorbei und laufen dann einmal quer durch die Ortschaft. Hier kann zu passenden Öffnungszeiten ein Bäcker, Metzger oder Supermarkt frequentiert werden. Gekonnt schlagen wir all diese Angebote aus und verlassen das Dorf wieder auf einem kleinen Feldweg. Der Nebel ist jetzt so dicht und die Wege dermaßen verschneit, dass wir tatsächlich nur noch nach unserem treuen Oregon laufen. Über einen der seltenen offenen Wegabschnitte dieser Wanderrunde tangieren wir das Hofgut Neustart, und weiter die Baumschule Werner. Ab hier biegen wir wieder nach Norden ab und gelangen in das Aubachtal.

Bei dieser Witterung freut man sich über einen GPX-Track im Garmin

Wir haben nun die letzten Höhepunkte der Breitscheider-Höhlentour auf dem Kompass, aber bis dahin müssen einige Meter gut gemacht werden. Der Weg orientiert sich jetzt grob am Verlauf des Aubachs. Der Rothaarsteig-Rundweg „Durchs wilde Aubachtal“ thematisiert den Bachverlauf übrigens noch wesentlich ausführlicher. Und das nicht zu Unrecht. Das Aubachtal ist wirklich wunderschön und der Verlauf des Flüsschens sehr ursprünglich belassen. Stets von Wald umgeben wandern wir durch bestens geeignetes Fatbike-Revier und kommen an einigen Forellenteichen vorbei. Diese haben wir sogar schon einmal selbst befischt, der Fang war äußerst lecker. Petri Heil! Nur wenig später erreichen wir ein kleines von Menschenhand geschaffenes Idyll. Ein kleiner ehemaliger Basaltsteinbruch dient heute als Biotop und Rückzugsraum für die Natur. An seinem Grund befindet sich ein Teich, dessen Wasser durch einen, in den Felsen geschlagenen, Tunnel abfließt. Ein tolles Szenario. 

Das Langenaubacher Viadukt

Die letzten beiden Must-Haves liegen nur wenige Meter entfernt. Wir passieren das Langenaubacher Viadukt, ein Relikt der ehemaligen Bahnstrecke Haiger – Breitscheid. Die Strecke wurde auch als Balkan-Express bezeichnet und war aufgrund ihrer Bauwerke recht spektakulär. Das vor uns liegende Viadukt ist heute noch begehbar und wird von Sportlern und Geocachern gerne zum Klettern und Abseilen benutzt. Im Winter erscheint es etwas trist, aber im Sommer bietet sich ein herrlich nostalgisches Bild. Direkt im Anschluss an die Talüberquerung befindet sich das Eingansportal des Rabenscheider Tunnels. Der Rabenscheider Tunnel ist 1114 Meter lang und auch immer noch begehbar, bzw. mit Fat- und Mountainbikes auch befahrbar. Um den Tunnel, der heute unter Denkmalschutz steht, ranken sich einige Mythen. So sollen im Inneren hinter bergmännisch verschlossenen Zugängen, immer noch Produktionsstätten der Nazis liegen, die hier angeblich die V2-Raketen produzierten. Der Sender Pro7 hat hierzu vor Ort im Jahr 2004 sogar eine Reportage gedreht, die diverse Schatzsucher auf der Suche nach der V2 begleitete. Für die Dreharbeiten wurden eigens einige Teilabschnitte der Bahntrasse wieder freigeschnitten. Wie auch immer, die Gegend hat jedenfalls hohen LP-Charakter.

Rabenscheider Tunnel

Mit diesen Eindrücken um verborgene Nazi-Werkstätten im Gepäck, brechen wir zum Endspurt der Tour auf. Steil bergauf geht es jetzt, denn wir müssen sämtliche Höhenmeter aus den Tiefen des Aubachtals wieder gewinnen. Ein letzter Aussichtspunkt befindet sich an der Grillhütte Langenaubach. Von hier aus kann man super über das umliegende Tal schauen. Die Lokation bietet sich übrigens hervorragend für Feierlichkeiten oder einfach nur zum Rasten an. An Sonn- und Feiertagen kann hier der ein oder andere Snack erworben werden. Zumindest in den Sommermonaten. Nachdem wir die Hütte verlassen haben führt uns ein kleiner Weg an der K41 entlang. Diese muss noch einmal überquert werden und schon sind wir wieder am Auto angekommen. Niemals zuvor war die Freude über trockene Socken und Schuhe größer, denn der klatschnasse Tiefschnee hat sich von oben in die wasserdichten Schuhe geschlichen. So ein übler Halunke aber auch.

Fazit:

Die Breitscheider-Höhlentour bietet einen Höhepunkt nach dem anderen. Es wird einfach nie langweilig auf dem Weg, weil hinter beinahe jeder Kurve wieder etwas zum Bestaunen lauert. Geologisch interessierte Naturfreunde dürften hier im Nirwana angekommen sein, denn was die Gegend um Erdbach und Breitscheid anbietet, ist schlicht sensationell. Karsthöhlen und -quellen, ein Fossilienschutzgebiet, Dolinen und vieles mehr wollen erkundet werden. Auch der Historiker darf aus einem reichhaltigen Menü wählen. Steinkammern, ehemalige Steinbrüche und die Bahntrasse des Balkan-Express mit all ihren Bauwerken, laden zum ausgiebigen Wühlen in der Geschichte ein. Trotz der widrigen Wetterumstände hat das heute richtig Laune gemacht. Da wir die Gegend auch aus den Sommermonaten kennen, bleibt abschließend eigentlich nur festzuhalten: Unbedingt empfehlenswert!

Tipp: Taschenlampe für den Rabenscheider Tunnel mitnehmen und durchlaufen. Toller LP-Faktor und wer weiß, ob nicht doch noch eine V2 gefunden werden kann.

Update 19.08.2022:

Der Rabenscheider Tunnel wurde mittlerweile zu einem asphaltierten Radweg ausgebaut und in das lokale Radwegnetz integriert.

Faktencheck:

16,2 km, 330 Hm, 3,7 km/h, Herbstlabyrinth, Steinbrüche, Steinkammern, Viadukt, Tunnel

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