...besser raus!

Pico do Arieiro – Pico Ruivo (Die Königswanderung)

Glaubt man diversen Erzählungen aus dem Reich der Madeira-Wanderlegenden, so hat man mit erfolgreicher Absolvierung dieser Tour gleichzeitig das Feuer erfunden, ein Haus gebaut und einen Mammutbaum groß gezogen. Wer braucht dann noch das Rad?

Ähnlich wie bei der Caldeira Sete Cidades auf den Azoren, handelt es sich bei der Königswanderung um eine der absoluten Must-Have-Touren, zumindest was den alpinen Bereich betrifft. Immerhin wandert man vom dritthöchsten Gipfel der Insel auf den höchsten Gipfel, den Pico Ruivo. Um die Sache zu vervollständigen, liegt der zweithöchste Berg, der Pico das Torres, auch auf der Tour, sein bizarrer Gipfel wird aber nicht bestiegen. Es führt nämlich kein Pfad hinauf. Dafür wandern wir an seiner imposanten Flanke entlang.

Doch alles der Reihe nach. Wir parken auf dem großen Parkplatz vor dem Gipfelhaus auf dem Pico do Arieiro, den wir schon mehrfach besucht haben. Die Anfahrt zum Berg ist jedes Mal wieder grandios wegen der unglaublichen Aussichten. Hier befinden sich übrigens öffentliche Toiletten, sowie die Möglichkeit noch Futter und Wasser für unterwegs zu kaufen. Von den üblichen Souvenirs ganz abgesehen.

Wir checken den Twix-Bestand und satteln die Rucksäcke. Wie oft haben wir jetzt schon am Einstieg zur Tour gestanden, in die Ferne geblickt und uns vorgenommen, dass wir das Ding eines Tages wirklich laufen? Keine Ahnung, wir haben nicht mitgezählt. Ein tolles Gefühl heute dann wirklich die ersten Schritte auf den Steinplatten zu machen.

Geniale Aussicht schon am Einstieg in die Tour

Es geht gemütlich los, etwas abwärts auf gut ausgebautem Weg, aber das bleibt heute nicht lange so. Schon bald folgen die ersten Stufen, die mal hoch und mal nach unten führen, teils recht steil aber vorerst noch überschaubar. Der erste tolle Aussichtspunkt ist nach kurzer Zeit erreicht, der kleine Abstecher dorthin lohnt sich. Vom „Miradouro do Ninho da Manta“, zu Deutsch „Der Ausblick vom Bussardnest“, blickt man in Richtung Norden in die gewaltigen Tiefen der Schluchten, es sei denn die oft aufziehenden Wolkenfetzen verschleiern den Blick.

Blick vom Miradouro do Ninho da Manta

Der Weg verläuft weiter auf einem schmalen Grat, die Flanken fallen zu beiden Seiten des Weges fast senkrecht ab, bis wir eine lange und steile Treppe erreichen. Hier steigen wir endgültig in den alpinen Bereich der Tour ein. Die Stufen führen steil an einer Felswand ab und winden sich immer wieder um Gesteinsvorsprünge herum.

Der Grat ist zum Glück gesichert

Unten angekommen, folgen wir dem Pfad um einige Kurven und gelangen zu einem ersten Tunnel, der durch eine Bergflanke führt. Dieser ist aber im Vergleich zu manchen Levadatunneln auf der Insel recht kurz und es fließt auch kein Wasser hindurch. Auf der anderen Seite folgt noch ein schmaler Durchlass im Felsen und wir erreichen die nächste Treppe.

Der Tunnel ist gut begehbar

Nachdem wir auf einem gesicherten Pfad in der Steilwand recht zügig vorwärtsgekommen sind, werden wir auch schon wieder ausgebremst.

Wir laufen in den Steilwänden

Wir stehen vor einer steilen Metalltreppe und müssen einige entgegenkommende Wanderer passieren lassen.

Dann wagen wir selbst den Aufstieg, der uns als Flachländer so einiges an Kondition abfordert. Doch das war erst der Anfang. Einige schmale Kurven und einen steilen Anstieg später stehen wir vor den nächsten Treppen, die sich sehr lange und steil in die Höhe strecken. Es sind zwar Treppen, aber es fehlt nicht viel und man könnte sie auch als Leitern bezeichnen.

Völlig ausgepumpt kommen wir oben auf einem Grat an, von dem es jetzt wieder auf gutem Pfad an der Ostflanke des Pico Ruivo weitergeht. Es sind zwar immer noch heftige Anstiege zu bewältigen, aber der Weg ist breit und gut begehbar.

Wir nähern uns dem Pico Ruivo Haus

So kommen wir nach einer Weile an die Kreuzung der Verada Achada do Teixeira und weiter zum Pico Ruivo Haus, welches unter den Gipfel gebaut ist. In der Hauptsaison ist hier geöffnet und es gibt kostenpflichtige Toiletten. Wichtiger ist aber die Tatsache, dass man sich in einem kleinen Unterstand zu jeder Zeit kostenlos Trinkwasser zapfen kann. Diese Tatsache nutzen wir ausgiebig um die Vorräte aufzufüllen.

Wir klatschen uns noch eine Ladung kaltes Wasser durchs Gesicht und wagen den letzten Teil bis zum Gipfel des Pico Ruivo. Der Weg lässt sich gut laufen, ist aber sehr steil. Man merkt jetzt die Anstrengungen der Tour bis hier hin. Doch auch das schaffen wir und können wenig später die unglaublichen Aussichten genießen. Man kann es eigentlich nicht in Worte fassen, auch Bilder spiegeln nur zum Teil wider, welch großartiges Panorama sich hier bietet. Der Blick wandert einmal rund um die Insel, durch tiefe und bizarre Schluchten, über abstrakt geformte Berg- und Felsformationen sowie die satten Grünflächen der Lorbeerwälder bis hin zum Atlantik. Dieser liegt jetzt 1862 m unter uns in einer scheinbar anderen Welt. Man könnte hier Stunden verbringen.

Panorama
Blick in das berühmte Nonnental

Nach ausgiebiger Fotosession und einer nahrhaften Twixpause haben sich die Beine irgendwann etwas erholt. Da der Rückweg nochmal genauso anstrengend wird, machen wir uns zeitig wieder auf die Socken, ach nee… Wanderschuhe. Der Wegverlauf ist exakt derselbe, allerdings lassen sich nochmal ganz andere Perspektiven der faszinierenden Bergwelt erfahren.

Auch der Rückweg bietet fette Ansichten

Wir schaffen es die Metalltreppen wieder runter und durchqueren die Tunnel. Erstaunlich flott sind wir unterwegs auf den felsigen Pfaden und die Beine sind überraschend fit. Das stellt sich spätestens als Irrtum heraus, als wir wieder vor der steilen und langen Steintreppe stehen. Mit leichter Schnappatmung kraxeln wir das Teil mühsam bergauf, und nach etwa der Hälfte legen wir eine kleine Konditionspause am Wegesrand ein. Hier pausiert auch schon eine recht sportlich aussehende Engländerin, die uns auch sogleich mitteilt, dass sie die Tour wohl etwas unterschätzt hat.

Stolz wie Oskar feiern wir mit dieser Aussage unsere anscheinend doch nicht so schlechte Kondition. Jedenfalls für wenige Augenblicke, denn dann biegt ein Rentnerpärchen, welches wir vor dem Anstieg noch lässig überholt haben, um die Ecke und zieht mit ordentlicher Geschwindigkeit an uns vorbei, weiter den Berg hoch. Mittlerweile zu dritt, gaffen wir den beiden etwas fassungslos hinterher. Dumm Gucken ist wohl ein internationales Geschäft ohne Sprachbarrieren. Der stolze Oskar verabschiedet sich auch sogleich wieder. Die Engländerin ist aber noch da und murmelt irgendwas von crazy shit oder so ähnlich.

Nachdem wir die Kinnladen wieder eingeklappt haben, schaffen wir es aber tatsächlich auch bis ganz nach oben. Wieder passieren wir den spektakulären Grat. Die vorbeiziehenden Wolken schaffen dieses Mal ein surreales Panorama. Man muss es einfach live erlebt haben.

Der Rückweg über den Grat

Zurück am Mietwagen werfen wir die Rucksäcke ins Auto, der Parkplatz ist mittlerweile völlig überfüllt, und gönnen uns dann ein wohlverdientes Eis. Wir haben es getan und sind die Königswanderung nach etlichen Aufenthalten auf Madeira endlich gelaufen. Ein geiles Feeling!

Fazit:

Der madeirensische Klassiker unter den alpinen Wanderungen lohnt sich im wahrsten Sinne des Wortes in jeder Hinsicht. Die Aussichten sind brachial, gutes Wetter vorausgesetzt, und der Weg ist äußerst abwechslungsreich. Eine gewisse Grundkondition bzw. (Wander-)Fitness sollte auf jeden Fall vorhanden sein. Die Treppenpassagen sind teilweise sehr fordernd. Die Pfade und Wege lassen sich davon abgesehen aber jederzeit gut begehen. Nachteil: Die Tour ist oft sehr überlaufen, vor allem in den Sommermonaten. Ein früher Start lohnt sich daher, auch im Hinblick auf die Parkplatzsituation auf dem Pico do Arieiro.

Faktencheck:

17,2 km, 620 Hm, 3,3 km/h, viel Wasser, Twix, brachiale Aussichten, 1x fassungslos Gaffen

Print
WhatsApp
Telegram
Twitter
Facebook

Madeira

Erlebe die Schönheit von Madeira beim Wandern und Outdoor-Abenteuern. Majestätische Berge, malerische Küsten und atemberaubende Levadas warten auf dich. Tauche ein in die Natur und entdecke die Vielfalt der Aktivitäten. Mach dich bereit für unvergessliche Abenteuer auf Madeira!

Azoren

Entdecke die Naturschönheit der Azoren beim Wandern und Outdoor-Abenteuern. Von Vulkanlandschaften bis zu malerischen Küsten bieten sie vielfältige Möglichkeiten. Tauche ein in die Natur und erlebe unvergessliche Abenteuer auf den Azoren!

Westerwald

Der Westerwald erstreckt sich als Mittelgebirge über die Bundesländer Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen.