...besser raus!

Estanquinhos – Levada do Norte (Das große Tunnelrattendiplom)

Der Start dieser Tour befindet sich unterhalb des Forst- und Erholungshauses „Estanquinhos“ auf einem kleinen Wanderparkplatz an der Paul da Serra. Die Paul da Serra ist eine Hochebene im mittleren westlichen Bereich von Madeira und mit ca. 1500 – 1600 m ü NN nur unwesentlich tiefer gelegen wie die höchsten Berggipfel der Insel.

Vorsicht Verwechslungsgefahr: Der höchste Gipfel auf Madeira ist der Pico Ruivo mit 1886 m und die höchste Erhebung der Paul da Serra ist der Pico Ruivo do Paul mit 1639 m. Auf Madeira haben sie es etwas mit den „roten Spitzen“. Was für eine krasse Tour uns heute erwartet, lässt sich am Parkplatz noch nicht erahnen, wir kennen sie nur von unserer Vorbereitung bzw. Planung. Soviel sei gesagt: Platz- und Höhenangst sollten heute nicht an Bord sein.

Vom Mietwagen aus wandern wir erst einmal gemütlich durch die sonnige Strauchlandschaft der Hochebene. Den Pico Ruivo do Paul haben wir ein Jahr zuvor besucht, so dass wir diesen Umweg heute auslassen. Wir sind noch nicht lange unterwegs, als uns Markierungen an den Sträuchern auffallen. Wir gehen weiter und genießen die Stille, als plötzlich Menschen am Horizont auftauchen und uns zügig entgegenrennen. Was ist hier los? Buschbrand? Gratisbier irgendwo?

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Blick über die Paul da Serra

An einer provisorisch eingerichteten Versorgungsstation am Wegesrand erfahren wir, dass wir mitten in einen Trailrun geraten sind, der sich auch noch die nächsten paar Kilometer Wegstrecke mit uns teilt. Man bietet uns kleine Snacks und Getränke an und rät uns dazu, einfach normal weiter zu wandern und gegebenenfalls den Läufern etwas Platz zu machen. Ansonsten sei alles kein Problem, have a nice vacation! Und tatsächlich klappt das sogar einwandfrei.

Wir erreichen den Rand der Hochebene und beginnen einen sehr steilen Abstieg. Immer wieder lassen wir Trailrunner passieren, die uns entgegenkommen und sich den Anstieg hinauf quälen. Respekt für solche Leistungen! Etwas später erfahren wir von einem Österreicher, der zufällig am Startpunkt des Rennens losgewandert ist, wie krass die Strecke wirklich ist. Die Läufer starten tief unten im Tal an einem Forsthaus und rennen gleich zu Beginn fast 1000 Höhenmeter bis auf die Hochebene… das lassen wir einfach mal so stehen.

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Am Rand der Hochebene

Wir steigen aber nur bis zur Levada do Norte ab, eine der abenteuerlichsten und längsten Levadas auf Madeira. Über eine Treppe kommen wir am Wasserlauf an und entscheiden uns erst einmal zur sogenannten Madre d.h. zur Quelle der Levada zu gehen. Das ist zwar ein Umweg den wir später auch komplett so wieder zurücklaufen müssen, wird aber mit dem tollen Weg dorthin und einem malerischen Wasserfall belohnt. Typische Madeira-Impressionen eben. An der Madre folgt eine kurze Rast, einen Geocache gibt es auch zu finden und nach ausgiebiger Fotosession treten wir die eigentliche Mission für heute an.

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Die Madre der Levada do Norte

Nachdem wir wieder an der Treppe, die zur Hochebene führt, angekommen sind, folgen wir einfach weiter dem Wasserlauf der Levada do Norte, die uns nun ein langes und abenteuerliches Stück begleiten wird. Wir kommen an einem der typischen Wartungshäuser der Levadeiros vorbei und versorgen uns auf dem vorgelagerten Grillplatz vorsichtshalber mit Blasenpflaster, da durch den steilen Abstieg zuvor einige unbekannte Scheuerstellen aufgetreten sind. Wir wollen ja auch die nächsten Tage noch einiges erleben.

Und dann kommen wir auch schon zum eigentlichen Ziel der heutigen Runde, dem ersten von etlichen noch folgenden, sehr langen und meistens nicht besonders breiten Felstunneln. Die Tour wird in „Kennerkreisen“ auch als das „große Tunnelrattendiplom“ bezeichnet. Und nein, man bekommt keine Urkunde oder sowas dafür, jammerschade, verdient wäre es. Hier startet das Abenteuer, auch wenn die Tour bis hier hin schon verdammt gut war.

Wie schon erwähnt, viele der Tunnel auf Madeira sind niedrig, eng und vor allem auch sehr feucht. Also Kopflampen raus, Regenhülle auf den Rucksack und die Taschenlampe griffbereit in die eigene Regenjacke. Kurzer Lampencheck, und schon verschwinden wir in den Tiefen des gigantischen Felsmassivs.

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Einer von sehr vielen Tunneln

Erstaunlicherweise können wir das Licht am anderen Ende des Tunnels sehen, haha, ist aber wirklich so. Allerdings ist es nach einer ganzen Weile in gebückter Wanderhaltung noch kein Stück größer geworden. Wir tapsen im Licht der Kopflampen auf dem schmalen und teilweise schlammigen Wartungspfad vorwärts. Drei Sachen müssen wir beachten: Immer die Deckenhöhe im Auge behalten, gleichzeitig die Bodenbeschaffenheit voraus beobachten, und vor allem gilt es, nicht auf dem glitschigen Rand in die Levada abzurutschen. Das macht das Tunnelwandern auf Madeira so spannend und ist der Grund warum man immer mindestens zu zweit unterwegs sein sollte. Im Berg ist kein Empfang jeglicher Art, sei es Smartphone, Funk oder GPS. Erschwerend kommt hinzu, dass die wirklich langen Tunnel ziemlich selten belaufen werden von den üblichen Wandergruppen und Kreuzfahrttouristen. Also ist im schlimmsten Fall keine schnelle Hilfe zu erwarten.

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Ausgang in Sicht

Die Levada plätschert gemütlich neben uns in ihrer Felsenrinne, während wir im schwankenden Lichtkegel der Kopflampen Meter für Meter vorwärtskommen. An einigen Stellen finden wir Ausbuchtungen im Gestein, die als Lagerstätten der Levadeiros für Reparatur- und Wartungsmaterial dienen. Auch ihre Pausen scheinen sie im Berg zu verbringen, denn Reste von Lagerfeuern und Konservendosen finden wir auch. Sogar eine fast neue Regenjacke liegt bereit. Ganz langsam vergrößert sich der Ausgang des Tunnels und irgendwann erreichen wir wieder das Tageslicht. Letzteres aber nur für ca. fünfzig Meter, denn nach einem scharfen Rechtsknick mit grandioser Aussicht fängt auch schon der nächste Tunnel an. Wieder verschwinden wir im Berg. Hier findet eigentlich eine exakte Wiederholung des vorigen Tunnels statt, nur das dieser noch länger ist. Nur mit diesen beiden Tunneln sind wir heute schon ca. 2,5 – 3 km unterirdisch gewandert, die ersten drei kürzeren zur Madre nicht mitgerechnet.

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Ausgang erreicht

Kaum haben wir den zweiten Gang durch die Unterwelt überstanden, offenbart sich uns ein völlig gegenteiliges Bild. Wir stehen in einer riesigen Felswand, an der kleine Wasserfälle hinabrinnen, über den zum Glück gesicherten Weg fließen und senkrecht im Tal verschwinden. Wie Eingangs schon erwähnt ist hier Höhenangst sicherlich kein guter Freund, trotz der Sicherungen. Für die perfekte Jurassic-World-Illusion fehlt eigentlich nur noch der Flugsaurier, der obligatorisch kreischend durchs Tal gleitet. Man muss Madeira einfach lieben, es geht nicht anders.

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Da kommen wir her…
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…und so geht’s weiter

Wir steigen an der nassen Felswand entlang auf einer Treppe abwärts und gelangen wieder auf den gewohnten Levadapfad. In der Ribeira do Inferno können wir noch einen Wasserfall bewundern und kurze darauf, welch Wunder, folgt der nächste Tunnel. Dieser ist mit knapp unter 1000m zwar etwas kürzer, wird aber wenige Meter nach seinem Ende und einer kurzen Tageslichtpassage, sofort vom nächsten Tunnel abgelöst. Und dieser ist wieder über einen Kilometer lang. Nachdem wir im Schein der Kopflampen interessante Kristallformationen an der Tunneldecke beobachtet haben erreichen wir auch hier irgendwann den Ausgang.

Natürlich nur für kurze Zeit, es folgt ein kleiner, gut begehbarer Tunnel, und wenige Meter später das nächste unterirdische Ungetüm. Dieser ist zwar der letzte auf unserer heutigen Tour, dafür aber etwas Besonderes. Nach etwa zwei Dritteln der Strecke folgt eine S-förmige Biegung im Berg. Zum ersten Mal für heute können wir also nicht den weit entfernten Ausgang sehen und haben somit kein Ziel vor Augen. Das wirkt etwas beklemmend, Klaustrophobiker könnten spätestens hier arge Probleme bekommen. Selbiges ist übrigen beim fast 2,5 km langen Tunnel der Levada Pico do Ruivo auch der Fall (siehe unsere Tour), allerdings ist der etwas breiter und höher.

Auch diese Herausforderung schaffen wir letzten Endes und die Sonne heißt uns zur Belohnung herzlich willkommen. Wir verstauen Kopflampen und Regensachen und folgen weiter der Levada do Norte bis wir die ER208 erreichen. Die Bezeichnung ER208 deutet zwar auf eine Straße hin, ist aber in Wirklichkeit eine zerfurchte Schlamm- und Steinpiste, die besten Falls mit hochgelegten Geländewagen befahrbar ist. Auf dieser heute völlig ausgetrockneten Mondlandschaft erklimmen wir in steilen Serpentinen wieder das Hochplateau. Ein kleines Stück kürzen wir über den verfallenen Lauf der Levada do Pleinho Velho ab und erreichen bald darauf das Forsthaus „Estanquinhos“. Hier machen wir eine abschließende Pause und erreichen wenige hundert Meter weiter wieder den Parkplatz. Unser treuer Mietwagen wartet schon geduldig in der warmen Sonne.

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Letzter Ausblick des Tages von der Paul da Serra

Fazit:

Das „große Tunnelrattendiplom“ ist eine recht lange Tour, die eigentlich alles bietet was man auf Madeira landschaftlich erleben kann. Lediglich der alpine Bereich wird hier nicht wirklich tangiert. Steile Abstiege, knackige Anstiege, Wasserfälle, super Aussichten und vor allem zahlreiche und sehr lange Tunnel prägen das Bild dieser Rundwanderung. Man sollte keine Probleme mit engen Räumen in der Dunkelheit haben und körperlich in der Lage sein auch über längere Strecken in teils gebückter Haltung zu Wandern. Neben regenfesten Klamotten sollten unbedingt auch Ersatzbatterien für die Lampen an Bord sein.

Für uns war die Tour ein lange gehegter Traum, oft verschoben, aber letztendlich eine der geilsten die wir bis jetzt auf Madeira gemacht haben. Einfach ein grandioses Abenteuer für Levadafreaks!

Faktencheck:

24,1 km, 570 Hm, 3,6 km/h, viele lange Tunnel, Wasser, 1x Frühstückskekse, 1x Blasenpflaster, 1x Trailrun

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