...besser raus!

Aradena Gorge – Livaniana (Circular Walk)

Eigentlich sind wir per Zufall in einem Hotel in Agia Galini gelandet, haben aber für längere Anfahrten zu den Touren extra einen pompösen Mietwagen am Chaos-Airport Heraklion angemietet. Alleine die Suche nach dem Büro der Autovermietung würde wahrscheinlich einen kompletten Blox füllen können, es sei aber an dieser Stelle nur festgehalten, dass wir am Ende mit einem Skoda Citigo aus der Sache herausgekommen sind. Dieser Wunderwagen kann so rein gar nichts, nicht mal ein Handschuhfach gibt es, also genau das richtige für uns. Die kleine Mühle bringt uns ca. 2 ½ Stunden und 95 km später, von Agia Galini zum Ausgangspunkt der heutigen Tour. Ein kleiner Parkplatz an der relativ bekannten Aradena-Brücke.

Brücke über die Aradena Schlucht

Auf dem Hinweg verfolgen wir noch zwei Engländer, die Ihre Wanderschuhe auf dem Dach Ihres Mietwagens vergessen haben und versuchen sie mit Lichthupe und wildem Gestikulieren darauf aufmerksam zu machen. Irgendwann gefühlte hundert Kurven weiter, die Schuhe standen derweil wie festgenagelt auf dem Autodach, halten sie tatsächlich lachend an und haben festgestellt, dass wir sie keineswegs überfallen, sondern nur freundlich sein wollten. Es gab eine kurze aber sehr witzige Konversation, und ab dafür.

Die Tour durch die Aradena-Schlucht, hierbei handelt es sich übrigens um die „kleine Schwester“ der weltberühmten Samaria-Schlucht, wird in der Regel von den meisten Leuten direkt vom Schluchtausgang am Meer angegangen. Um dorthin zu kommen ist man allerdings auf Fähren angewiesen. Wir haben uns recht spontan für diese Tour entschieden und hatten deshalb weder Fahrplan der Fähren, noch mögliche Abstellmöglichkeiten für den Mietwagen dazu auf dem Schirm. Jaja, Vorbereitung ist bekanntlich alles, heute lief es aber eben etwas anders. Der Mini-Skoda parkt also direkt vor der Brücke, gegenüber des namensgebenden Geisterdorfes Aradena. Die Sonne wuchtet ordentlich von oben, wir satteln die Hühner und schon sind wir unterwegs.

Im Zickzack hinten rechts unser Weg in die Schlucht

Wir folgen vorerst der geteerten Straße ein kleines Stück zurück, bis wir den etwas schwer zu erkennenden Pfad zum Rand der Schlucht finden. Karger Bewuchs und die für Kreta typische steinige Landschaft führen uns schnell zum Abstieg. Auf der gegenüberliegenden Schluchtseite erkennt man deutlich das verlassene Dorf Aradena. Immerhin eine Kapelle scheint dort aber noch besucht zu werden, diese erstrahlt nämlich frisch renoviert aus der staubigen Landschaft. Letztere ist übrigens absolut genial, man kann in die Tiefen der Schlucht blicken und hat trotzdem das unglaubliche Panorama der über 2000 m hohen Gebirgslandschaft vor Augen. Wir begeben uns auf den steilen aber recht gut zu begehenden Abstieg in Richtung Talsohle. In Teilen stoßen wir immer wieder auf Ziegenkadaver, die von den hier ansässigen Geiern geplündert und verstreut wurden.

Jup, die Brücke ist wirklich hoch über dem Tal

Auf dem Grund der Schlucht angekommen, lässt sich der weitere Weg vorerst sehr deutlich finden und ist einfach zu begehen. Über uns ragen die Felswände steil auf und der ausgetretene Pfad windet sich immer wieder um gigantische Steinbrocken. Hin und wieder grollt ein lautes Donnern durch die Schlucht, wenn Fahrzeuge die mittlerweile weit über uns liegende Brücke passieren.

Massives Gestein muss immer wieder umgangen werden

Unser Weg windet sich immer weiter durch das schmale Tal, letzteres öffnet sich ab und an wieder zu breiteren Passagen, bis wir die ersten nicht mehr ganz offensichtlich zu begehenden Stellen erreichen. Hinter uns donnert ab und an noch leise ein Fahrzeug über die Schlucht, während wir öfters einige Varianten ausprobieren müssen, um den richtigen Abstieg zu finden.

Eine der schmalen Stellen

Vielen Wanderern begegnen wir nicht, aber kurz vor einer der bekanntesten Schlüsselstellen der Schlucht treffen wir auf ein französisches Pärchen. Sie überlegen gerade wie sie eine Felsstufe ohne Sicherungen erklimmen sollen, wir müssen das Ganze abwärts meistern. Sie lassen uns den Vortritt und unten angekommen erzählen sie uns in ziemlich gutem Deutsch was weiterhin auf uns wartet. Die Rede ist von einem Geröllfeld, einer ungesicherten Umgehung entlang der Schluchtwand oder der Alternative über Eisenleitern und einem spröden Seil. Von den Leitern haben wir im Vorfeld gelesen, das Seil war uns neu. Die Umgehung liegt wohl teilweise in Trümmern, glaubt man aktuellen Berichten im Netz.

Imposanter Vergleich: Bäume und Felswände

Dank des Hinweises ersparen wir uns zumindest den Part über das Geröllfeld und erreichen die Schlüsselstelle mit den Leitern. Hier können wir das soeben Gelernte an eine uns entgegenkommende Wandergruppe weitergeben, die nämlich gerade besagtes Geröllfeld zu erklimmen versucht. Muss man nicht, es geht außen herum einfacher, das weiß man aber nur wenn man wie wir von oben kommt. Nach kurzem Gespräch rutschen wir mehr oder weniger auf den Felsen mit dem Seil und hangeln uns dieses zur Hilfe nehmend auf eine riesige Felsstufe. Hier klettern wir die rostigen Eisenstufen runter, folgen einem Handlauf und steigen eine weitere Eisenleiter runter auf den Talgrund.

Die Schlüsselstelle in der Aradena Schlucht

Wir haben soeben eine der bekanntesten Passagen der Aradena-Schlucht gemeistert. Wir folgen noch ein wenig dem Track durch die Schlucht, immer wieder muss etwas geklettert werden über die groben Steine, bis wir an einem Wegweiser ankommen, der den Aufstieg durch die Schluchtwand nach Livaniana markiert. Eigentlich ganz anders geplant, entscheiden wir uns spontan diesen Weg aus der Schlucht heraus zu nehmen und oben über die Berge zurück zum Wunderboliden zu laufen. Hintergrundgedanke der ganzen Aktion ist folgender: Wir machen so einen Rundweg draus und müssen nicht plump einmal die Schlucht runter und schnöde wieder rauf kraxeln.

Immer wieder Trittsicherheit gefordert

Im Prinzip keine schlechte Idee, aber die letzte Hälfte des Rundkurses hat es wirklich in sich. Vorerst verlassen wir den oftmals schattigen Talgrund und hieven uns ziemlich steil immer weiter aus der Schlucht empor, bis wir zwei Kapellen erreicht haben. Hier wird langsam klar, dass Schatten ein absolutes Luxusgut sein kann, aber immerhin weht ein erfrischendes Lüftchen ab und an vom Meer in die Berge. Wir folgen dem steinigen Pfad weiter durch unwegsames Gelände und müssen uns jetzt der doch recht gnadenlos brennenden Sonne stellen. Selbige fährt für Ende Mai so ziemlich alles auf was machbar ist. Immer wieder treffen wir jetzt auf Ziegen, deren Hirten hier und da karge Bauten mit Stallfunktion in die Landschaft integriert haben. Auch einige Schafe sind dabei, diese kauern sich aber im Gegensatz zu den überall umherkletternden Ziegen, zusammengedrängt in den Schatten der wenigen Büsche.

Blick auf den Ausgang der Aradena-Schlucht vom Weg nach Livaniana

Einige Ziegen weiter haben wir dann irgendwann Livaniana erreicht, ein kleines Bergdorf in den Hängen über dem Mittelmeer. Hier benötigen wir eine kurze Findungsphase um auf den anvisierten Wanderweg zu kommen, haben ihn aber dank Garmin Oregon dann doch recht zügig gefunden. Jetzt wird es steil, sehr steil und das alles ohne Schatten. Wir schrauben uns auf staubigem Wandertrail immer weiter in die Höhe, bis wir einen Grat überwunden haben, aber auch danach bietet sich vorerst keine Aussicht auf Erlösung von Anstieg und Hitze. Immer weiter geht es bergauf, bis wir auf einen schmalen Fahrweg treffen, der Livaniana mit der Außenwelt verbindet. Aber auch auf diesem Weg knallt die Sonne gnadenlos weiter. Immer noch bergauf schleichend, kauern wir uns unter eine Steilwand am Wegesrand, die wenige Zentimeter Schatten bietet. Von unten hört man schon seit längerer Zeit ein Fahrzeug, welches gemächlich die Serpentinen erklimmt, und wir überlegen selbiges per Anhalter zu konsultieren um der Hitze zu entgehen und den Weg zurück zum Mietwagen zu vereinfachen. Dieses Ansinnen hat sich schnell erledigt, denn es handelt sich um eines der für Kreta typischen Räumfahrzeuge, die mit ihrem mittig unter dem Fahrzeug liegendem Schild, die Bergstraßen von Geröll und Steinen befreien. Wir grüßen, beide Fahrzeugführer grüßen zurück, und dann raffen wir uns zur letzten Etappe bis zum Ausgangspunkt auf.

Kein Schatten und Hitze kurz vor Livaniana

Irgendwann haben wir die letzten Höhenmeter geschafft und blicken auf ein mehr als spektakuläres Panorama. Die unmenschliche Hitze scheint vergessen, zumal wir endlich unseren Mietwagen unten an der Aradena-Brücke wieder ins Auge fassen können, aber viel beindruckender ist das absolut gigantische Bergpanorama. Hinter uns liegt das tiefblaue Meer, wir latschen gerade durch eine gefühlt unbarmherzige Steinwüste, und blicken auf die teils noch schneebedeckten Ausläufer der Lefka Ori, die weißen Berge von Kreta.

Lefka Ori auf dem Rückweg

Leider kann man hier nur Bilder sprechen lassen, wie sooft muss man es gesehen haben, das Ganze ist einfach irgendwie surreal genial. Wir befinden uns irgendwo zwischen dem Libyschen Meer und den teils weit über 2000 m hohen Gipfeln mitten im Nirgendwo. Das Auto haben wir dann schnell erreicht, tauschen Wanderlatschen gegen bequemeres Schuhwerk, und holpern zum ersten Mal auch selbst mit der Mietbüchse über die hoch gelegene schmale Brücke zum Kiosk auf der anderen Seite. Hier füllen wir den verschwundenen Zuckerhaushalt mit kalter Cola wieder auf und beobachten noch kurz einen Drohnenpilot beim Filmen des genialen Panoramas.

Fazit:

Die Tour ist relativ bekannt auch wenn sie deutlich im Schatten der alles überragenden Samaria-Schlucht etwas untergeht. Wir hatten schlicht keine Lust auf die Menschenmassen in der Samaria und haben uns spontan für die Aradena entschieden. Und selbst diese Runde sind wir etwas anders angegangen, hatten aber trotzdem eine spektakuläre Wanderung. Der Rückweg über Livaniana erfordert dann aber einiges an Kondition und vor allem Hitzebeständigkeit, es ist für längere Zeit absolut kein Schatten vorhanden, die Sonne brennt und das karge Gelände fordert auch der Psyche hier und da etwas Frustrationstoleranz ab. Wer sich damit anfreunden kann, wird mit gewaltigen Eindrücken der kretischen Natur mehr als entschädigt.

Faktencheck:

10,6 km, 420 Hm, 3,0 km/h, geniale Schlucht, Hitze, Ziegen, Bergpanorama,

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